Der Nachbar schaut zu - Videoüberwachung im Wohnhaus

Den Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik 2016 folgend sinkt der Einbruchsdiebstahl in Wohnungen und Wohnhäusern seit mehreren Jahren kontinuierlich. Trotzdem leidet das subjektive Sicherheitsempfinden durch beständige, besorgniserregende mediale Berichterstattung. Die Angst um die eigenen vier Wände ist so hoch wie nie zuvor.


Online seit: 13.06.2017 | Themenbereich: Recht & Gesetz
Kanzlei am Kai
Der Nachbar schaut zu - Videoüberwachung im Wohnhaus

Dies, aber auch anderweitige kommerzielle Nutzungen von Wohnungen – Stichwort „Apartmentvermietung und Airbnb“ – sowie ein immer größeres und preiswerteres Angebot von Videoüberwachungsanlagen, hat zur Folge, dass die optische Überwachung in Wohnhausanlagen und dicht besiedeltem Gebiet in jüngerer Zeit stark angestiegen ist. Bei der Installation von Videoüberwachungsanlagen im Wohnhaus ist rechtlich jedoch einiges zu beachten:

Laut Datenschutzgesetz (kurz „DSG“) treffen den „Überwacher“, unabhängig davon, ob dieser Eigentümer oder Mieter ist, diverse Pflichten, beginnend mit Melde- und Hinweispflichten, bis hin zu Protokollierungs- und Löschpflichten. Vor allem aber hat der Überwacher den Schutz der Persönlichkeitsrechte jener zu beachten, die von der Überwachung potenziell betroffen sein können.


So hat Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 5 Ob 69/13b erkannt, dass sich eine Videoüberwachungsmaßnahme nach Maßgabe des Eindrucks für einen unbeteiligten Betrachter grundsätzlich nur auf den eigenen / gemieteten (Wohn)Bereich beziehen darf. Dabei geht es maßgeblich nicht darum, ob eine solche Überwachung auch aufgezeichnet wird (iS der §§ 50a ff DSG), weil es bereits eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) darstellt, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung und den äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt.


Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine funktionsfähige Videokamera oder um eine bloße Attrappe handelt. Bewohner eines Wohnhauses, aber auch Nachbarn, die von Videoüberwachungsanlagen erfasst werden, haben bei einer Beeinträchtigung der Privatsphäre deshalb einen Anspruch auf Unterlassung. Kommt es zu einer gerichtlichen Konfrontation, muss nicht nur die Kamera entfernt werden, der „Überwacher“ hat in den meisten Fällen zusätzlich die Prozesskosten zu tragen.


Anderes gilt jedoch für allgemeine Teile des Hauses, wie etwa Briefkästen im Einfahrtsbereich, Müllinseln oder Ähnliches, wenn die Überwachung als „verhältnismäßig“ anzusehen ist. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn es in einem Wohnhaus regelmäßig zu Vandalismus oder Vergleichbarem gekommen ist und der Schutz des Eigentums nicht auch durch ein „gelinderes Mittel“ erreicht werden kann.


Wurde im Objekt Wohnungseigentum begründet und soll eine Videoüberwachungsanlage an allgemeinen Teilen der Liegenschaft installiert werden, so ist ein Beschluss der Mehrheit der Wohnungseigentümer notwendig. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass der Beschluss möglichst umfassende Regelungen hinsichtlich des Betriebs der Anlage, der Verwertung der gewonnen Informationen bzw. des Bildmaterials und der anfallenden Kosten beinhaltet.


Die Verwendung von Videoüberwachungsanlagen für die Informationsgewinnung (zB zur Vorbereitung oder während laufender Gerichtsverfahren) ohne entsprechende Genehmigung oder Zustimmung der „Überwachten“, verstößt jedenfalls gegen das DSG und stellt eine Beeinträchtigung der Privatsphäre dar. Mangels Beweisverwertungsverbots im österreichischen Zivil- und Strafrecht kann eine Videoaufnahme aber trotzdem in einem Prozess verwendet werden und unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts.


Zur Vermeidung von bösen Überraschungen in Form von Unterlassungs- oder Schadenersatzklagen sollten bereits im Vorhinein die rechtliche Zulässigkeit und allfällig notwendige Voraussetzungen durch einen Rechtsanwalt überprüft werden.

Ihre Fragen beantworten wir Ihnen gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch in unserer Kanzlei!

 

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Mag. Stefan Oberlojer
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